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- Out 5, 2021
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Rüstungsindustrie
Luxemburg und das Geschäft mit Waffen und „Dual-Use“-Produkten
Während die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich von Nachhaltigkeit (CSDDD) in nationales Recht noch aussteht, ging es bei einer von der „Commission Justice et Paix“ organisierten Konferenz am Dienstag darum, dass in Luxemburg ansässige Firmen Produkte und Dienstleistungen anbieten, die für zivile wie auch militärische Zwecke verwendet werden können.
Gilt in Luxemburg also „Business first“, so der Titel der Konferenz? Zwar hat Luxemburg jahrelang darauf hingewiesen, dass es keine Rüstungsgüter verkauft. Dennoch bieten hiesige Firmen diese „double usage“ (Dual-Use) an, insbesondere was Software und Technologien angeht. Eines davon ist der Satellitenbetreiber SES, dessen Tochterunternehmen Satellitenkapazitäten verkauft, die auch für militärische Zwecke verwendet werden.
Aymeric Elluin, Experte von Amnesty International (AI) Frankreich, erklärte dazu über den rechtlichen Rahmen auf. Der Jurist und Autor des Buches „Ventes d’armes, une honte française“ weist seit längerem auf die Undurchsichtigkeit des Waffenhandels und die Notwendigkeit von Kontrollen und Regulierungen hin.
Das „Land der Menschenrechte“ stelle Letztere hinter seine wirtschaftlichen Interessen und rüste Regime aus, die diese Menschenrechte mit Füßen treten, so Elluin. Frankreich war 2021 (laut AI-Angaben) nach den USA und Russland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt – und, wie Elluin sagte: „Frankreich ist an Kriegsverbrechen beteiligt.“
Rechtlicher Rahmen
Maßgebliche rechtliche Rahmen für die Rüstungsexporte sind etwa der Arms Trade Treaty (ATT) von 2013. Ziel des Waffenhandelsvertrags ist es, zu verhindern, dass Waffentransfers in die falschen Hände geraten und zu Verstößen gegen das Völkerrecht beitragen können. Es gibt zwar ein ATT-Sekretariat, das aber weder eine Kontrollstelle noch Sanktionsmöglichkeiten besitzt, nur einen jährlichen Bericht über Exporte und Importe, die jeder ATT-Vertragsstaat vorlegen muss.
Im Rahmen der Europäischen Union gibt es nicht zuletzt die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Regelung für die Kontrolle der Ausfuhr, Vermittlungstätigkeit, technische Hilfe, Durchfuhr und Verbringungen von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Sie ist am 9. September 2021 in Kraft getreten. Doch die EU habe bei der Harmonisierung staatlicher Praktiken bei Waffenverkäufen ihr Ziel verfehlt, so Elluin.
Außerdem haben Rüstungsunternehmen zunehmend Joint Ventures gegründet, um den nationalen Druck bei der Vergabe von Exportlizenzen zu umgehen: so etwa die Düsseldorfer Rheinmetall AG mit dem südafrikanischen Rüstungskonzern Denel (RDM). Die Deutschen behielten noch 51 Prozent der Anteile. Dabei werden Bomben- und Munition hergestellt sowie sogar ganze Bomben- und Munitionsfabriken gebaut, die dann nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft werden. Ähnlich ist es mit dem Verkauf von französischem Rüstungsgerät, das im Jemen zum Einsatz kam – Panzer, Kanonen, Munition und Lasermarkierungssysteme. AI prangerte vor allem drei französische Rüstungskonzerne an: Dassault, Thales und MBDA.
Dualer Nutzen
Dass in Sachen unternehmerischer Sorgfaltspflicht und Lieferketten-Richtlinie auch der Faktor Rüstung miteinbezogen werden muss, darauf hat etwa die luxemburgische „Initiative pour un devoir de vigilance“ (IDV) immer wieder hingewiesen. Gerade im sogenannten Dual-Use bestehe großer Nachholbedarf. So stellte sich etwa heraus, dass 2022, im Jahr des Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine, der Export von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen und Kühlschränke von Europa nach Kasachstan um das Fünffache stieg. Zugleich exportiere das zentralasiatische Land für 837 Millionen US-Dollar „Maschinen und Anlagen“ nach Russland, im Jahr zuvor waren es noch 128 Millionen Dollar gewesen. Schnell kam der Verdacht auf, dass die Waren in Russland in Kleinteile zerlegt wurden. Was für Kühlschränke benutzt wird, kann auch für Drohnen, Panzer, Raketen und Nachtsichtgeräte herhalten. Dual-Use!
Bekannt wurde die Affäre um die in Findel ansässige Firma CAE Aviation: Frankreich hatte auf das Unternehmen als langjährigen Partner zurückgegriffen. Die Firma hatte Aufklärungsflüge vor Libyens Küste durchgeführt. Ein weiteres Beispiel ist die Affäre um die Spionage-Software „Pegasus“. Der Anbieter der Software, die israelische NSO Group, hat seinen Sitz in Luxemburg.
Längst hat der weltweite Rüstungswettlauf wieder begonnen. Erst am Dienstag hat der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zusammen mit seinen Amtskollegen aus Polen, Frankreich, Großbritannien und Italien in einem Vorort der polnischen Hauptstadt Warschau betont, dass die europäischen NATO-Staaten die Ukraine weiter unterstützen wollen.
Auch sollen engere Rüstungsunternehmen enger kooperieren, um ihre Produktionskapazitäten zu erhöhen. 2025 müsse das Jahr des Ausbaus der Rüstungsindustrie werden, sagte der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. Dies ist ganz nach dem Sinne des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Oleksii Makeiev, der sagte: „Der Frieden muss erkämpft werden.“
Während viele Staaten ihre Rüstungsetats erhöhten, konnten sich die Rüstungskonzerne jüngst über enorme Kurssprünge freuen. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Nachfrage nach Rüstungsaktien und ETFs (Exchange Traded Funds) gestiegen. Die Forderung des designierten US-Präsidenten Donald Trump, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, dürfte den Run auf die Aktien noch verstärkt haben. Rheinmetall verzeichnete seit Anfang 2022 einen Anstieg von mehr als 210 Prozent, aber auch andere legten kräftig zu.
Klein ganz groß
Auch Luxemburg rüstet auf: Zu den beiden neuen Militärfahrzeugen der Command Liaison and Reconnaissance Vehicle (CLRV) kommen im März zehn weitere hinzu. Bestellt sind zudem 38 Jaguar-Radpanzer, zwölf gepanzerte Truppentransporter (Griffon) und fünf Serval-Spähwagen. Der deutsch-französische Sender Arte widmete der luxemburgischen Rüstungsoffensive bereits einen Beitrag unter dem Titel „Aufrüstung bei der kleinsten Armee“.
Die größte Rüstungsinvestition in der Geschichte des Landes soll mehr als 2,6 Milliarden Euro kosten. Verteidigungsministerin Yuriko Backes (DP) sprach im Mai vergangenen Jahres bei der Vorstellung des entsprechenden Gesetzentwurfs einmal mehr von einem „absoluten Paradigmenwechsel“ in der Verteidigungspolitik. Und General Steve Thull, der Generalstabschef der Armee, sagte: „Wir müssen robuster aufgestellt und voll einsatzfähig sein.“
Die Investitionen in die eigene Rüstung ändert nichts an der Tatsache, dass die Rüstungsexporte aus Europa in andere Länder zugenommen haben, wie das Friedensforschungsinstitut Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) feststellte. Dabei spielen nicht zuletzt auch die Banken eine wichtige und unrühmliche Rolle. Darauf wurde einmal mehr auch bei der von der „Commission Justice et Paix“ organisierten Konferenz hingewiesen.
Amnesty International hat bereits eine umfassende Studie über die Rolle des Finanzsektors durchgeführt. Darauf wies Stan Brabant, der ehemalige Direktor von AI Luxemburg, hin. Der luxemburgische Sektor sei emblematisch. Das Land nehme als weltweit bedeutendes Zentrum eine komplexe und zweideutige Position in der Waffenfrage ein, heißt es in „Banks, Arms and Human Rights Violation“.
Luxemburg steckt demnach tief in dem „Business de guerre“. Einer der Zuhörer der Konferenz, der sich zum Schluss zu Wort meldete, brachte die Problematik zum Ausdruck: „Ich komme aus einem Land, das fast keinen Frieden kennt, aber die Waffen kommen nicht aus meinem Land. Sie kommen aus Europa.“
Tageblatt
Luxemburg und das Geschäft mit Waffen und „Dual-Use“-Produkten

Während die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich von Nachhaltigkeit (CSDDD) in nationales Recht noch aussteht, ging es bei einer von der „Commission Justice et Paix“ organisierten Konferenz am Dienstag darum, dass in Luxemburg ansässige Firmen Produkte und Dienstleistungen anbieten, die für zivile wie auch militärische Zwecke verwendet werden können.
Gilt in Luxemburg also „Business first“, so der Titel der Konferenz? Zwar hat Luxemburg jahrelang darauf hingewiesen, dass es keine Rüstungsgüter verkauft. Dennoch bieten hiesige Firmen diese „double usage“ (Dual-Use) an, insbesondere was Software und Technologien angeht. Eines davon ist der Satellitenbetreiber SES, dessen Tochterunternehmen Satellitenkapazitäten verkauft, die auch für militärische Zwecke verwendet werden.
Aymeric Elluin, Experte von Amnesty International (AI) Frankreich, erklärte dazu über den rechtlichen Rahmen auf. Der Jurist und Autor des Buches „Ventes d’armes, une honte française“ weist seit längerem auf die Undurchsichtigkeit des Waffenhandels und die Notwendigkeit von Kontrollen und Regulierungen hin.
Das „Land der Menschenrechte“ stelle Letztere hinter seine wirtschaftlichen Interessen und rüste Regime aus, die diese Menschenrechte mit Füßen treten, so Elluin. Frankreich war 2021 (laut AI-Angaben) nach den USA und Russland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt – und, wie Elluin sagte: „Frankreich ist an Kriegsverbrechen beteiligt.“
Rechtlicher Rahmen
Maßgebliche rechtliche Rahmen für die Rüstungsexporte sind etwa der Arms Trade Treaty (ATT) von 2013. Ziel des Waffenhandelsvertrags ist es, zu verhindern, dass Waffentransfers in die falschen Hände geraten und zu Verstößen gegen das Völkerrecht beitragen können. Es gibt zwar ein ATT-Sekretariat, das aber weder eine Kontrollstelle noch Sanktionsmöglichkeiten besitzt, nur einen jährlichen Bericht über Exporte und Importe, die jeder ATT-Vertragsstaat vorlegen muss.
Im Rahmen der Europäischen Union gibt es nicht zuletzt die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 über eine Regelung für die Kontrolle der Ausfuhr, Vermittlungstätigkeit, technische Hilfe, Durchfuhr und Verbringungen von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Sie ist am 9. September 2021 in Kraft getreten. Doch die EU habe bei der Harmonisierung staatlicher Praktiken bei Waffenverkäufen ihr Ziel verfehlt, so Elluin.
Außerdem haben Rüstungsunternehmen zunehmend Joint Ventures gegründet, um den nationalen Druck bei der Vergabe von Exportlizenzen zu umgehen: so etwa die Düsseldorfer Rheinmetall AG mit dem südafrikanischen Rüstungskonzern Denel (RDM). Die Deutschen behielten noch 51 Prozent der Anteile. Dabei werden Bomben- und Munition hergestellt sowie sogar ganze Bomben- und Munitionsfabriken gebaut, die dann nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft werden. Ähnlich ist es mit dem Verkauf von französischem Rüstungsgerät, das im Jemen zum Einsatz kam – Panzer, Kanonen, Munition und Lasermarkierungssysteme. AI prangerte vor allem drei französische Rüstungskonzerne an: Dassault, Thales und MBDA.
Dualer Nutzen
Dass in Sachen unternehmerischer Sorgfaltspflicht und Lieferketten-Richtlinie auch der Faktor Rüstung miteinbezogen werden muss, darauf hat etwa die luxemburgische „Initiative pour un devoir de vigilance“ (IDV) immer wieder hingewiesen. Gerade im sogenannten Dual-Use bestehe großer Nachholbedarf. So stellte sich etwa heraus, dass 2022, im Jahr des Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine, der Export von Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen und Kühlschränke von Europa nach Kasachstan um das Fünffache stieg. Zugleich exportiere das zentralasiatische Land für 837 Millionen US-Dollar „Maschinen und Anlagen“ nach Russland, im Jahr zuvor waren es noch 128 Millionen Dollar gewesen. Schnell kam der Verdacht auf, dass die Waren in Russland in Kleinteile zerlegt wurden. Was für Kühlschränke benutzt wird, kann auch für Drohnen, Panzer, Raketen und Nachtsichtgeräte herhalten. Dual-Use!
Bekannt wurde die Affäre um die in Findel ansässige Firma CAE Aviation: Frankreich hatte auf das Unternehmen als langjährigen Partner zurückgegriffen. Die Firma hatte Aufklärungsflüge vor Libyens Küste durchgeführt. Ein weiteres Beispiel ist die Affäre um die Spionage-Software „Pegasus“. Der Anbieter der Software, die israelische NSO Group, hat seinen Sitz in Luxemburg.
Längst hat der weltweite Rüstungswettlauf wieder begonnen. Erst am Dienstag hat der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zusammen mit seinen Amtskollegen aus Polen, Frankreich, Großbritannien und Italien in einem Vorort der polnischen Hauptstadt Warschau betont, dass die europäischen NATO-Staaten die Ukraine weiter unterstützen wollen.
Auch sollen engere Rüstungsunternehmen enger kooperieren, um ihre Produktionskapazitäten zu erhöhen. 2025 müsse das Jahr des Ausbaus der Rüstungsindustrie werden, sagte der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz. Dies ist ganz nach dem Sinne des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Oleksii Makeiev, der sagte: „Der Frieden muss erkämpft werden.“
Während viele Staaten ihre Rüstungsetats erhöhten, konnten sich die Rüstungskonzerne jüngst über enorme Kurssprünge freuen. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Nachfrage nach Rüstungsaktien und ETFs (Exchange Traded Funds) gestiegen. Die Forderung des designierten US-Präsidenten Donald Trump, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, dürfte den Run auf die Aktien noch verstärkt haben. Rheinmetall verzeichnete seit Anfang 2022 einen Anstieg von mehr als 210 Prozent, aber auch andere legten kräftig zu.
Klein ganz groß
Auch Luxemburg rüstet auf: Zu den beiden neuen Militärfahrzeugen der Command Liaison and Reconnaissance Vehicle (CLRV) kommen im März zehn weitere hinzu. Bestellt sind zudem 38 Jaguar-Radpanzer, zwölf gepanzerte Truppentransporter (Griffon) und fünf Serval-Spähwagen. Der deutsch-französische Sender Arte widmete der luxemburgischen Rüstungsoffensive bereits einen Beitrag unter dem Titel „Aufrüstung bei der kleinsten Armee“.
Die größte Rüstungsinvestition in der Geschichte des Landes soll mehr als 2,6 Milliarden Euro kosten. Verteidigungsministerin Yuriko Backes (DP) sprach im Mai vergangenen Jahres bei der Vorstellung des entsprechenden Gesetzentwurfs einmal mehr von einem „absoluten Paradigmenwechsel“ in der Verteidigungspolitik. Und General Steve Thull, der Generalstabschef der Armee, sagte: „Wir müssen robuster aufgestellt und voll einsatzfähig sein.“
Die Investitionen in die eigene Rüstung ändert nichts an der Tatsache, dass die Rüstungsexporte aus Europa in andere Länder zugenommen haben, wie das Friedensforschungsinstitut Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) feststellte. Dabei spielen nicht zuletzt auch die Banken eine wichtige und unrühmliche Rolle. Darauf wurde einmal mehr auch bei der von der „Commission Justice et Paix“ organisierten Konferenz hingewiesen.
Amnesty International hat bereits eine umfassende Studie über die Rolle des Finanzsektors durchgeführt. Darauf wies Stan Brabant, der ehemalige Direktor von AI Luxemburg, hin. Der luxemburgische Sektor sei emblematisch. Das Land nehme als weltweit bedeutendes Zentrum eine komplexe und zweideutige Position in der Waffenfrage ein, heißt es in „Banks, Arms and Human Rights Violation“.
Luxemburg steckt demnach tief in dem „Business de guerre“. Einer der Zuhörer der Konferenz, der sich zum Schluss zu Wort meldete, brachte die Problematik zum Ausdruck: „Ich komme aus einem Land, das fast keinen Frieden kennt, aber die Waffen kommen nicht aus meinem Land. Sie kommen aus Europa.“
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