• Olá Visitante, se gosta do forum e pretende contribuir com um donativo para auxiliar nos encargos financeiros inerentes ao alojamento desta plataforma, pode encontrar mais informações sobre os várias formas disponíveis para o fazer no seguinte tópico: leia mais... O seu contributo é importante! Obrigado.
Portal Chamar Táxi

Notícias Nawalnys letzter Blick in die Freiheit

Roter.Teufel

Sub-Administrador
Team GForum
Entrou
Out 5, 2021
Mensagens
32,188
Gostos Recebidos
1,057
Ein Nachruf von BILD-Chefreporter Peter Tiede
Nawalnys letzter Blick in die Freiheit


0e5fc1d889a1f535b7f12454410b4720,fec8a8bf


Er sagte mir noch, dass er wisse, was ihn erwartet. Dass er wisse, dass sein letzter Flug nach Russland der Flug in den Tod sein kann. Dass sich das Regime, dass sich sein Erzfeind im Kreml bitter an ihm rächen wird.

Als Alexej Nawalny mit seiner Frau Julia heute vor 1125 Tagen in Berlin-Schönefeld an Bord von Flug DP 936 der staatlichen russischen Airline Pobeda (deutsch: Sieg) stieg, um zurück nach Moskau zu fliegen, riskierte er sein Leben. Nicht für sich. Für sein Land. Das er liebte. Und das er dem Mörder im Kreml nicht überlassen wollte. Nicht kampflos. Aus Prinzip.

Seine Frau war einverstanden. Sie haben so was immer besprochen und zusammen entschieden. Auch, dass Tochter Darja (damals 20) in Deutschland bleibt. In Sicherheit.

BILD-Kameramann Fabian Matzerath und ich waren mit an Bord. Wir waren Zeugen seiner letzten Heimreise. Wir waren die Letzten, die ihn in Freiheit sahen.

An diesem 17. Januar 2021 wurde er an der Passkontrolle am Moskauer Flughafen Scheremetjewo verhaftet. Abgeführt. Abgeurteilt. Weggesperrt.

Im Gulag haben sie beendet, was der Mann im Kreml mit denen zu machen pflegt, die sich gegen ihn stellen und das Land nicht verlassen: Sie haben ihn umgebracht. Schleichend. Planvoll.

Der Tod – Putins Lösung für Problem-Russen.

In Berlin hatten sie ihm noch das Leben gerettet. 2020, nachdem der Kreml-Führer ihn mit Nowitschok hatte vergiften lassen.

Er wusste, das sagte er mir, dass er das Land wohl nicht mehr lebend wird verlassen können. Ein Foto haben wir im Flieger noch gemacht – er auf Platz 13 A, Julia neben ihm, ich im Gang. Trickfilme hat er geschaut. Geklatscht haben sie, als er an Bord kam. Sogar die Stewardessen der Staats-Linie haben sich Autogramme geben lassen vom Staatsfeind Nummer 1.

In Moskau haben sie den kompletten Linienflug umgeleitet, weil sie Angst vor den Anhängern hatten, die auf dem Flughafen warteten.

Im Anflug auf Moskau hatte sich der Pilot gemeldet mit der Ansage, man könne leider wegen des katastrophalen Wetters nicht wie geplant auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo landen, sondern müsse, leider, leider, auf dem Airport Moskau-Scheremetjewo landen. Dort sei das Wetter „fantastisch“. Ein paar Kilometer weiter nur – das Wetter anders … Die Russen an Bord haben den Witz verstanden. Er hat sich entschuldigt „für die Unannehmlichkeiten“.

Im Flugzeug sagt Nawalny nach der Landung: „Das ist der schönste Moment seit fünf Monaten.“ 150 Tage zuvor hatten sie ihn auf einem Inlandsflug von Tomsk nach Moskau vergiftet. Nun sagt er: „Ich fühle mich großartig. Endlich kehre ich nach Hause zurück.“ Er rechne nicht mit einer Verhaftung, er sei unschuldig, sagte er. Aber er wusste: Sie werden sich ihn greifen.

Und das taten sie.

Auf dem Flughafen hat er sich im Transitbereich noch einmal vor ein Kreml-Poster gestellt und uns mitreisenden Journalisten ein letztes Mal erklärt, warum er meint, zurückzumüssen in die Höhle des Bären. Aus Prinzip. Um in den Spiegel gucken zu können. Auch, um Tochter Darja ein Vorbild sein zu können.

Er wollte nicht zurück – er musste. In sein Russland, das er nicht dem Mörder hinter den Kremlmauern überlassen wollte. In Deutschland kam er sich vor wie ein Tiger im Zoo. Was sollte er hier? Sich zur Ruhe setzen? Seinen Kampf um ein demokratischeres Russland aufgeben? Herumgereicht werden als der Widerstands-Russe, der Putin-Feind? Nein, wer aus Russland raus ist, der ist raus. Wird bedeutungslos im Land der totalen Zensur. Das wusste er. Das sagte er mir noch: „Man kann nichts aus der Ferne ändern.“

Er hatte geschafft, was noch niemandem gelungen war unter Putin: Nawalny hatte in fast jeder Großstadt einen Teil seiner Bewegung. Er hatte – auch aus dem Machtapparat – beste Informationen über Korruption und Putins unermesslichen Reichtum. Er hat Dokumentationen drehen lassen. Er hat die korrupten Machteliten als das gezeigt, was sie waren: gemeine Verbrecher.

Ich war einmal bei einer dieser „Wahlen“ in seiner Moskauer Wahlkampfzentrale – es war wie bei der Studentenbewegung. Nawalny war Hoffnung.

Nun ging er mit seiner Julia am Arm in die Passkontrolle. Sie ließen sie durch. Ihn nicht mehr. Einreise verweigert. Direkt verhaftet. Ein letzter, unbeholfener Kuss für Julia durch die Corona-Maske. Dann zerrten sie ihn weg, ein paar Meter zurück, raus aus dem Passraum. An unserer Kamera vorbei: Fabian Matzerath hat die letzten Bilder von Alexej Nawalny in Freiheit gedreht, die die Welt zu sehen bekam. Das nächste Bild von ihm war aus einem Schnellprozess. Einem von vielen, die noch folgen sollten – damit er ja nie wieder rauskommt aus den Lagern des Kreml-Mannes. Damit der Kreml-Führer seine Ruhe hat.

Als sie ihn abführen, dreht er sich noch für den Bruchteil einer Sekunde um. Da sind nur Geheimdienstler, Grenzbeamte und wir, Fabian Matzerath und ich. Sein letzter Blick zurück in die Freiheit – er traf uns. Der letzte Blick eines Unbeugsamen. Eines Mannes der nur Freiheit wollte. Für sich, seine Familie, seine Landsleute. Der nur wollte, dass auch Russen wählen dürfen.

Deshalb flog er vor drei Jahren zurück – zurück aus der Freiheit. In den schleichenden Tod.

Aber fürs Seinlassen war dieser Alexei Anatoljewitsch Nawalny, geboren am 4. Juni 1976 in Butyn bei Moskau, nicht gemacht. Auch wenn er es gehasst hätte, so genannt zu werden: ein Held. Ein Freiheitskämpfer.

Der Letzte seiner Art.

Bild Zeitung
 
Topo