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Dieses Dorf will gar kein Internet!

Roter.Teufel

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Dieses Dorf will gar kein Internet!


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Friedrichsrode (Thüringen) – Drei Balken, zwei Balken, kein Balken ... Passiert man das Ortseingangsschild von Friedrichsrode, meldet sich das Smartphone verlässlich ab. Kein Empfang im Kyffhäuserkreis. Und nicht nur das: Das 75-Seelen-Dorf ist ein Ort ohne Internet. Und fast alle dort finden das gut.

„Mobilen Empfang gibt es bei uns nicht“, sagt Annika Gast (46), Chefin des ortsansässigen Kunsthofes. Das störe aber niemanden. „Bei uns kann man deshalb richtig abschalten – das tut gut!“ Wer mit dem Handy telefonieren will, muss auf einen der zwei kleinen Hügel am Ortsrand klettern. Bei der Putenfarm oder an der Kirche. Nur dort ist Empfang.

Nach einer Stunde vermisst keiner mehr TikTok und Instagram

Das Schullandheim der Fachwerkgemeinde besuchen das ganze Jahre über Schüler aus ganz Deutschland. Gerade ist eine Gruppe aus Halle/Saale da. Drei Tage Klassenfahrt mit ihrer Lehrerin. Sie schreiben, malen, töpfern; die Smartphones bleiben in der Tasche.

Warum auch ständig aufs Handy gucken, wenn's hier kein Instagram, Facebook, TikTok gibt? „Auf einmal sind alle aufmerksamer, weil hier in konzentrierter Ruhe gearbeitet werden kann“, erzählt die Lehrerin. Und auch das Gemecker über „Kein Netz!“ war schnell verstummt.

Annika Gast: „Die Kinder werden schon nach einer Stunde bei uns ruhiger, liegen entspannt im Gras, können sich besser fokussieren, weil sie nicht abgelenkt werden.“

Braucht wirklich niemand Internet in Friedrichsrode?

„Gehen Sie mal durchs Dorf“, sagt Ortsteilbürgermeisterin Christiane Wiesemann (75). „Unser Altersschnitt ist 70 plus.“ Tatsächlich: Auf den einzigen beiden Straßen im Ort treffen wir nicht nur keine jungen Menschen – wir treffen gar keine Menschen.

„Wer Feierabend hat, hat bei uns wirklich Feierabend“, sagt die Bürgermeisterin. „Rund um die Uhr erreichbar ist hier niemand. Es kann ja auch ein Segen sein, wenn nach Job-Schluss gesendete WhatsApp-Nachrichten nicht ankommen können.“

Vor ein paar Jahren habe man das ändern wollen und zwei von der EU geförderte WLAN-Hotspots im Dorf installiert. Aber: „Die Reichweite ist begrenzt und wenn der Strom ausfällt, dann geht gar nichts mehr.“ Das ist zuletzt gleich dreimal passiert, erst beim Sturm, dann krachte bei Baumfällarbeiten ein Ast auf die Leitungen ...
Bei der Feuerwehr gibt's ein Notfall-Telefon

Für Notfälle gibt es dann aber doch ein Telefon: Festnetz mit Analog-Anschluss. „Das steht bei der
örtlichen Feuerwehr“, sagt Wiesemann. „Das funktioniert auch ohne Strom.“

Das Ende der Funk-Stille ist allerdings auch im Offline-Dorf absehbar. Der Bürgermeister von Helbedündorfs, zu dem Friedrichsrode gehört, will demnächst einen Funkmast setzen lassen. Für Annika Gast und die anderen Friedrichsrodaer ein melancholischer Moment: „Ich plane dann ein Fest“, sagt sie. „Als Abschied von der Stille im Funkloch.“

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